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Wien, Wien, nur Du allein

Wien, Tag 1

 

Willst Du die Stadt meiner Träume sein?

 

Am Donaukanal, entlang der zweispurigen Oberen Donaustrasse, laufe ich am Abend zurück. Zum Glück regnet es nicht mehr. Doch immer noch ist's kalt und nass, so wie Wien mich schon am Mittag begrüsst hat. 


Natürlich hatte ich vorher die Wettervorhersage angeschaut. Entsprechend war ich ausgestattet mit einem Billig-Schirm, den ich nach 10 Schritten im Regen mühsam aus dem Koffer pflückte. Kaum aufgespannt, ging er von n-Form auf v-Form über und flog mir fast davon.

 

Ich bin auf dem Heimweg zum Appartment, das ich mir für meinen einwöchigen Wien-Aufenthalt ausgesucht habe. Und es liegt nicht zentral gelegen, sondern ausserhalb des Rings im 2. Wiener Bezirk, der Leopoldstadt. Jetzt, hier neben der Strasse, fühlt sich das nicht sexy an: grosse Bürogebäude von Banken und Versicherungen zu meiner Rechten, zu meiner Linken auf der Donaukanalseite ein singender Betrunkener, der gerade die Strasse überqueren will. Da kommt mir der ältere Herr mit seinen zwei Hunden gerade recht - einen Moment verweile ich in seiner Obhut, bis der Johlende weiter gezogen ist.

 

Hunger hab ich, und alles was hell erleuchtet ist, sind geschlossene Geschäfte. Kein Restaurant weit und breit taucht auf, während ich durch's Viertel schlendere. Und auch der Supermarkt, den ich unverhofft entdecke, ist längst geschlossen. Dabei ist es erst 20 Uhr. Ich habe ihn mir anders vorgestellt, meinen Ankunftstag in Wien. Und vor allem wünsche ich mir ein Abendessen, nachdem ich schon mittags enthaltsam gelebt habe.

 

Ich schlendere um eine weitere Strassenecke und stehe plötzlich vor einem hell erleuchteten Lokal, davor eine Schieferntafel, die verschiedene Gerichte in dieser Vinakothek anpreist. Doch kein Gast ist zu sehen drinnen, nur ein arabisch aussehender, gut gekleideter Mann steht vor dem Regal mit den Weinflaschen. Hoffnungsvoll-zögerlich öffne ich die Tür und frage, ob er geöffnet habe. "Aber ja, wir sind hier eine Vinakothek und haben Freitagsabends selbstverständlich geöffnet." "Kann ich hier auch was essen?" - "Aber natürlich."

 

Die Qual der Wahl habe ich bei der Auswahl meines Platzes - ein grosser und zwei kleinere Räume sind komplett unbesetzt, aber wunderbar gedeckt. Tatsächlich ist kein einziger Mensch hier an diesem Abend. Ich folge gerne der Weinempfehlung des Mannes, der sich als Weinexperte, Ober und Koch in einem herausstellt. Tatsächlich, der Zweigelt-Rotwein mundet ausgezeichnet, und ebenso die saftig triefende Bruschetta. "Woher kommen Sie? Wollen Sie mir nicht Ihre Geschichte erzählen?", frage ich den Mann, der sich als Samy vorstellt und aus Äypten kommt. Er freut sich sichtlich über eine Unterhaltung an diesem einsamen Abend. Und ich habe ein Restaurant und eine Unterhaltung ganz für mich allein. Wir reisen nach Ägypten, Jordanien, in den Oman und nach Saudi Arabien. Wir gehen zurück nach Ägypten und schliesslich landen wir - auf dem Weg nach Italien - in Österreich, hier in Wien. 

 

Zum Abschied mache ich ein Foto von Samy und der Vinakothek. Ich wünsche ihm und seiner Familie alles Gute. Wir schütteln uns die Hände.

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