Auf Wolke Wellness in Oberbayern

Studienarbeit im Rahmen des Kurses "CAS PR-Redakteur"

(August 2011)

„Sind Sie echt?" Frage ich und klettere neugierig aus dem Auto. Vor mir der Schlagbaum. Rechts davon die Waldhütte. Dazwischen – und mich unbeweglich musternd – ein Vollbärtiger mit Gamsbart am Hut und in Lederhosen: „Grüss Gott. Drei Euro für die Maut, bittschön.“ Verlangt er mit stoischer Ruhe und in Originalton Süd. Schlagbaum hoch und freie Fahrt gewährt er mir hinauf gen Wolke Wellness in Oberbayern.

 

Nach wenigen Kilometern rechts ab von der Privatstrasse ins Elmauer Hochtal erscheint es, umgeben von nichts als Wald und Wiesen – mein Drei-Tages-Vier-Sterne-Refugium „Das Kranzbach“. Die rot-weiss gestrichenen Fensterläden des nach der englischen Erbauerin benannten „Mary Portman House“ leuchten in der heissen Augustsonne. Wie gemalt liegt das schlossartige Anwesen da. Keine Menschenseele zu sehen, es herrscht spürbare Ruhe.

 

Still-Leben vor der Kulisse des Karwendelgebirges

 

Christine vom Empfang begrüsst mich herzlich in bayerischem Dialekt und bietet mir den Haussekt an – die Madeln tragen Dirndl, die Buben Tracht. Sie begleitet mich zu Nr. 531 im modernen Anbau. Wieder diese angenehme Stille. Eine Glaskaraffe für das hauseigene Quellwasser auf dem Tisch. Balkontür weit aufmachen, frische Luft einatmen. Zur Ruhe kommen. Am Abend wird überm Karwendelgebirge ein Regenbogen aufgehen.

 

Bergketten wohin das Auge auch reicht. Grandiose Landschaft. Dazu stahlblauer Himmel über des Karwendelgebirges schroffem, grauem Fels. Und nur ein klein wenig darunter zwei weiche, weisse Rundungen, an denen sich gerade Hunderte von kleinen Schweissperlen bilden, während an den Beinen bereits Bäche auf das Handtuch rinnen. Der wick-vaporub-bekannte Duft von Eukalyptus liegt in der feuchten Luft und erleichtert das Atmen. 65 Grad Innentemperatur bei 35 Grad draussen. Ich hocke allein in der Biosauna des Lady-Spa, kann mich nicht sattsehen an der Landschaft durch die komplettverglaste Frontseite der Sauna mit Aussicht. Und ich schwitze.


Generation Bademantel

 

Zwei attraktive Begleiter wurden mir zugeteilt für die Dauer meines Aufenthalts: Ein gutaussehender brauner Plastikkorb in Flechtoptik, den man für 35 Euro käuflich erwerben kann. Sowie das Elementarteilchen für diesen Urlaub. Von „Vossen“ aus weisser Baumwolle mit grüner Stickerei „Das Kranzbach“. Flauschig, saugstark und maschinenwaschbar bei 60 Grad. Unisex und uniform passt er sich jeder menschlichen Gestalt und Grösse an: der Bademantel – die Kutte der Wellness-Jünger.  

Wir tragen ihn von Nach-dem-Frühstück bis Vor-dem-Abendessen. Weil Strassenkleidung verboten ist im Herzen des Refugiums, im Reich des Badehauses, in der heiligen Bademantel-Flüsterzone. Dorthin gehen wir zu Massagen, zum Baden, in die Sauna – im Bademantel. Zur Liegewiese gehen wir sowieso – und an der Poolbar sitzen wir erst recht – im Bademantel.

Viele Paare, wenig Singles, kaum Kinder, im Badehaus herrscht Ruhe. Wer leise spricht, spricht leise deutsch. Ist das gerade Tim Bergmann, der Schauspieler, an der Mittags-Salatbar? Er lächelt freundlich. Ein Mann im Bademantel.

 

Unter dem Vulkan

Es blubbert im Raum „Enzian“. Die Steine garen. Durch die Kopföffnung gucke ich auf einen bunten Wiesenstrauss unter mir und überlasse mich der jungen, drahtigen Frau mit blondem Pferdeschwanz, die mit einem Hauch Restsächsisch in der Stimme verkündet: „Ich fange mit einer kleinen Massage an, bevor es richtig losgeht.“



Denise giesst warmes Mandelöl auf meinen Rücken und verreibt es mit ihren kräftigen Händen. Dann landet ein erster warmer Stein behutsam auf meinem Nacken. Zuerst mit der schmalen Seite, anschliessend mit der gesamten Fläche rollt und schiebt die Masseurin die Steine hoch und runter übers ölige Parkett. Ab und zu flutschen die steinigen Tänzer zusammen, und es macht „Klick" – wie das Aneinanderklackern der Murmeln früher beim Spielen. Herrlich, diese warmen Bahnen, ich entspanne mich.



Das Blubbern wird aggressiver. Denise kocht die Steine richtig auf. „Jetzt lege ich Tücher auf Ihren Rücken, damit die Steine dort liegen bleiben.“ Sagt’s und beginnt zu bauen. Eine heisse Mauer aus schwarzem Basalt entlang meiner Wirbelsäule. Mit der Befestigung des ersten vulkanischen Gesteins auf einem Halswirbel schiesst mir ein Wort in den Kopf: Brandwunde! Soll ich ihr das sagen? Je weiter nach unten das Bauwerk voranschreitet, desto schmerzfrei-wohliger wird’s oben – also schweige ich. Und voll ehrlicher Bewunderung meint Denise: „Ist ja irre, ich hab jetzt alle Steine auf Ihrem Rücken liegen – das hat noch nie jemand ausgehalten! Bitte nicht bewegen!" Nur in meiner Fantasie gebe ich dem Impuls nach, eine mandelölig duftende Eruption im „Enzian" zu veranstalten.



Wie zur Belohnung berichtet Denise von einem Gast, der eine „richtige Hot Stone“ wollte. Mit 65 Grad waren die Steine so heiss, dass die Masseurin sie mit feuerfesten Handschuhen anpacken musste. Der Gast bestand auf der Behandlung, Denise hatte sich das vorher schriftlich bestätigen lassen. „Ja, er hat Brandblasen gekriegt, aber die Hot Stone hat ihm gefallen.“



Die Steinmassage auf 45 Grad ist Lady Lava und mir ausreichend. Mittlerweile hat sich eine wohlige Wärme in meinem steinbefeuert-tiefenentspannten Körper ausgebreitet. Gar nicht mehr aufstehen mag er. „Jetzt viel trinken, damit sich’s auch rentiert hat.“ Verabschiedet mich die Masseurin mit dieser ihr eigenen unschuldigen Freude an ihrem Handwerk, bevor sie mir im Ruheraum ein Kräuterkissen auf den Nacken legt.



360 Grad Abschiedsfrühstück



Gesalzene französische Butter, Ettaler Süssrahmbutter oder deutsche Markenbutter? Pancakes, Omelette, Lachs oder Weisswurst mit süssem Senf? Sonnenterrassen-Sektfrühstück und freier Blick auf Wetterstein mit Zugspitze.

Eine Wespe kommt angeflogen und entscheidet sich für die Tropfen des frisch gepressten Orangensafts auf meinem Teller. Gierig schleckt sie davon. Bis sie irgendwann abhebt und beglückt weiterfliegt. Von oben bestaunt sie die oberbayerische Wunderwelt.