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Servus und Ba-Ba ...

Wien, Tag 7
 
Ich sitze vorm Laptop und höre meine Demoaufnahme. "Der Liebhaber" von Marguerite Duras, die ersten zwei Absätze. Rohfassung, direkt so wie sie aufgenommen wurde. Und ich fasse es nicht ... ich muss Abbitte leisten:

Lieber Harald

Ja-aaa ja ich verstehe Dich jetzt keine Überbetonung kein Lesen nach Satzzeichen am besten den ganzen Text mal ohne Beistrich und Punkt schreiben vorlesen wie ich es erzählen würde plötzlich ist es mir klar warum erst jetzt von den Endung-ün fang ich hier gar nicht an das ist ein Lebenswerk ach Menno können wir's nochmal aufnehmen bütte 
 
Obwohl ich weiss, dass noch so viel zu lernen und zu üben ist: Wenn ich dran bleibe, komme ich mit dem Basis-Werkzeugkasten einen Schritt weiter. Erst mal mit dem Lesen meiner eigenen Geschichten üben, dann hoffentlich irgendwann, wenn ich gross bin, mit dem Vorlesen der richtigen Literatur. 
 
Liebe Rita
 
Coole Aufwärm- und Atemübungen. Wichtige Textübungen. Die Geschichte von Barbara, dem Rhabarber und ihrer Bar, vom Barbier mit Bart mag ich nimmer hören, aber niemand konnte ahnen, dass sie so beliebt bei den Sprechschülern sein würde. Für mich passender ist der "Kekstext", wo ich die klare Aussprache üben kann, ohne mich auf den Zungenbrecher von Rhabarberbarbarasbarbarenbartbarbier konzentrieren zu müssen.
 
Eine Offenbarung sind dann die Übungstexte mit unterschiedlichen Charakteren: Plötzlich schwirren im Kurs brutale Erpresser, salbungsvolle Priester, Marktschreier, eitle Opernsängerinnen, das Fabelwesen Catherine sowie ziemlich schräge Typen rum. Es kommt mir vor, als sei da eine Bühne hergebeamt worden mitten ins geschlossene Viereck unserer Tische und Stühle. 
 
Lieber Christoph

Der ganz grosse Auftritt kam von Dir - und das nicht beim Singen. Ich ziehe aufrichtig meinen Hut, ich verbeuge mich vor Dir: Statt einen der vorgegebenen Texte zu interpretieren, hast Du Deinen eigenen verfasst. Erst hab ich's überhaupt nicht kapiert. Du hast Dich zunächst mal sichtbar konzentriert, tief durchgeatmet. Dann, an Deine Frau Sina zur Linken gewendet, hast Du irgendwas gesagt, das ich vor lauter Überraschung gar nicht verstanden hab. Dann bist Du auf die Knie gegangen! Ein Kniefall allerdings nicht vor Deiner Partnerin, sondern vor der Frau zu Deiner Rechten, vor Lisa. Was ist das denn für 'ne Show hier?
 
Liebe Lisa
 
"Bitte, bitte, mach weiter mit dem Sprechen. Wenn Du die Wettervorhersage machst, wird auch das schlechteste Wetter zu wonniger Freude, und man geht mit einem Lächeln in den Regen hinaus. Glaube an Dich und versprich uns allen, Deinen Weg weiterzugehen!"
 
Wir klatschen und johlen so laut, dass Harald aus dem Tonstudio nebenan bei uns reinschauen muss und uns zu etwas mehr Ruhe mahnt.
 
Lieber Martin
 
Welch cooler Einstieg, die Vorstellungsrunde "7 Fragen, 7 Antworten" vor dem Mikrofon. Du hast uns die Phonetik beigebracht, strukturiert und mit Spass. Fast unauffällig bis zu dem Moment, wo Du uns - immer nur auf Aufforderung - Deine Stimme geschenkt hast und einfach nur einen banalen Satz schön gesagt hast. Basst! 
 
Lieber Dan
 
Wir stehen stolz wie Oscar und ein wenig aufgeregt in dem Plastikgehäuse der Aufnahmekabine. Kopfhörer auf. Text in der Hand. Mund am Mikro. "Bitte mal was sprechen." - "Gut so, bist Du bereit?" - "Aufnahme läuft!" Motivieren ohne zu korrigieren. Du bist unser Anti-Harald! 
 
Lieber Thomas
 
Drei Bilder, zu einem davon was schreiben. Und ein Universum geht auf. Es war ein Genuss, die Geschichten dazu zu hören, die alle in 30 Minuten entstanden sind. Bei mir ist die banale Wien-Geschichte daraus geworden, die mir gefällt, gerade weil sie nur eine Stimmung wiedergibt. Die Spannungs-Geschichten der Kursteilnehmer sind atemberaubend. Erst im Nachhinein merke ich, dass ich gute Tipps für mich mitnehmen konnte, auch wenn ich kein Buch schreiben werde.

 

Der Kurs ist zu Ende. Der Abschied verlagert sich in Haralds Stammkneipe, die Weinbar nebenan. Prost und ba-ba, Ihr Lieben!

 

Bleibt's dran bitte!



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Kommentare: 1
  • #1

    Martin (Donnerstag, 27 April 2017 06:19)

    Danke für deinen schönen Blog und die wohltuenden Worte.

    Ganz liebe Grüße
    Martin