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Vier Grazien in Helsinki

Sisu, Lachs und jede Menge Dom

 

"Sisu ist ein Wort, das es nur auf Finnisch gibt. Man kann es nicht übersetzen", erklärt uns Studentin Anna vor der Frauenstatue „Sarastus“ (1956) von Waino Aaltonen unweit des Doms. Die Bronzefrau hält ihre Hand vor die Augen, um sich vor der Sonne zu schützen. Wir erfahren, dass die Frau die spärlichen Sonnenstrahlen geniesst, während sie dünn bekleidet in der Kälte steht. Diese Frau hat es: Sisu! Sisu steht für eine Mischung aus Mut, Kraft, Kampfgeist und Beharrlichkeit. Eine mentale Einstellung. Typisch für Finnland. Typisch für die Finnen. Typisch wie der Gang der Finnen in die Sauna.

 

Anna ist Finnin, studiert International Business Studies in Helsinki und möchte uns ihr Land, ihre Stadt näherbringen. Mike, ihr Kommilitone aus England, spricht ebenfalls zu uns als temporärer Reiseleiter. Er hat seine Themen recherchiert, handschriftlich in ein A5 Heft geschrieben und vergewissert sich zwischendurch, dass er auch nichts vergessen hat. Anna und Mike bieten seit dem ersten Mai "Free Walking Tours" in Helsinki an. Ein Spaziergang durch die finnische Hauptstadt. Täglich ab 11 Uhr. Und unsere Andi hat die Touristen rund um die studentischen Reiseleiter mit ihrem Walking-Tours-Pappschild wenige Stufen unter uns erspäht. Da sind wir doch klar dabei!

 

Wir vier Grazien – Ali, Andi, Nici und ich – stehen hoch oben auf dem Hügel und vor dem Portal des weissen Doms zu Helsinki und wissen nicht recht worüber wir uns am meisten freuen sollen: Die Sonne lacht uns ins Gesicht. Weiss und Gold des Doms strahlen um die Wette mit dem wolkenlos blauen Himmel. Aussicht auf den prächtigen Senatsplatz und seine historischen Gebäude. Die Walking Tour startet jetzt genau hier für uns. Dazu kommt mein stummes Dankgebet, dass die Asiatin, die ich gerade um ein Gruppenfoto von uns Grazien gebeten habe, beim Rückwärtsgehen die steile Treppe runter nicht das Gleichgewicht verloren hat. Geflucht hat sie entweder über mich oder wohl eher über meine Kamera, mit der sie nicht zurechtkam. Ein Foto von uns mit Dom im Hintergrund hätte es werden sollen. Vom Dom ist nichts zu sehen. Dafür ist ihr aber ein ausgesprochen schönes Portrait von uns gelungen während des Balanceakts.

 

Mit Anna und David geht's im Schnelldurchgang durch die finnische Geschichte, für die wir uns drei Wörter merken sollen: Schweden, Russland, Finnland. Finnland feiert dieses Jahr 100 Jahre Unabhängigkeit! Wir hören ein paar Brocken Finnisch, doch nur Nici ist lebhaft an der Sprache interessiert. Der Rest unserer Truppe kapituliert vor dem wilden Silben- und Vokalgewirr mit den vielen 'i's, ich eingeschlossen. Der kleine Stadtrundgang führt zur russisch-orthodoxen Uspenski-Kathedrale, zur riesigen Sauna am Meer beim Riesenrad und endet auf dem Marktplatz, wo sich unsere Gruppe bei den reizenden Reiseleitern bedankt und dazu beiträgt, Studium oder Start-Up Walking Tours Helsinki finanziell zu unterstützen.

 

Derweil sind wir hoch erfreut, die alte Markthalle von Helsinki genau vor uns zu wissen. Wo besser den mittäglichen Lachs als logische Fortsetzung des morgendlichen Lachses verzehren als in der berühmten Markthalle? Als die Lachssuppe mit dem dunklen finnischen Brot kommt, geht auch in der Markthalle die Sonne auf.

 

Und dann hat Helsinki ja noch den Design-District mit der ein oder anderen Gelegenheit zum Shoppen. Vier Frauen. Viele Geschäfte. Freundschaftliche Beratung. Weibliche Logik: "Nici, was bitte willst Du denn mit einem kleinen roten Handtäschchen anfangen?" - "Ich könnte es zu den neuen, kleinen roten Ohrringen tragen."

 

Am nächsten Tag geht's raus auf See und in etwa fünfzehn Minuten zur Insel Suomenlinna. Wenn Helsinki schon entspannt ist – auf der Insel ist man's noch mehr. Wir schlendern umher, lassen uns von der Sonne kitzeln und gönnen uns im sympathischen "Café Vanille" Cheesecake und Berry Cake mit Vanillesauce.

 

Wieder zurück auf dem Festland besuchen wir eine weitere Attraktion Helsinkis, die Felsenkirche. Betonung auf 'suchen'. Den Stadtplan immer wieder gezückt, fluche ich über die Roaming-Gebühren der Schweiz, weshalb ich mir Google Maps verkneife. Leute fragend wie vor hundert Jahren und nur dank Alis eiserner Reserve an Süssgkeiten erreichen wir nach ordentlichem Fussmarsch den unscheinbar wirkenden Bau: "Da ist der Atombunker. Darauf ein Gummibärchen", meint Nici trocken. Mit letzter Kraft erstehen wir eine Eintrittskarte. Und hören bereits, dass wir ein weiteres Geschenk erhalten. Nicht nur die Augen werden verwöhnt - vom Spiel des Lichts durch die Fenster des in den Fels gesprengten runden Raums. Auch die Ohren werden beglückt. Denn ein Orchester probt für ein Konzert. Klassische Musik in dieser besonderen Kirche. Die übrigen Touristen und wir verharren schweigend auf den Bänken und lauschen andächtig.

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Inka (Montag, 29 Mai 2017 03:28)

    Lotte Sisu!