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Finale

 

La Chantal

 

Die wunderschöne Schauspielstudentin im mit rosafarbenen Blüten übersäten stylischen Abend-Overall trägt für ihr nächstes Lied einen schwarzen Schal als Kopftuch. Sie kniet vor einem Heiligenbild nieder. Und dann singt sie eine Arie von Verdi, während sie anmutig das Gebetsbuch als Notenspicker in der Hand hält. Die Zuhörer lauschen ergriffen, entzückt von ihrer Sopranstimme. Und der Applaus brandet ob dieser grossartigen Leistung von Chantal, die vor lauter Freude durch den Saal und davon schwebt. Zu unserer grossen Erleichterung wird sie für einen Abschluss-Song wieder einschweben und uns diesen ganz anderen Musikstil vortragen - mit grösster Freude fürs Publikum.

     

Losfee

 

Zwischendurch verwöhnt Lisa, unsere Profi-Sängerin, meine wundervolle Chor-Einflüsterin und Coachin, uns mit ihrer engelsgleichen Alt-Stimme bei "Es sass ein schneeweiss Vögelein", vor allem aber bei der Auslosung der Lied-Reihenfolge. Denn sie ist die Losfee an diesem Finalabend.

 

Ensemble

 

Geschmückt in schönstem Gewande, trägt eine jede von uns heute die Lieder vor, die im Solo, Duo oder Ensemble geübt wurden. Eine bunte Mischung entsteht da an Volksliedern, Songs, Chansons und klassischen Weisen. Berührend, überraschend, beeindruckend. Es fliessen viele, viele Tränen beim Publikum.

 

Verena, Maria-Donata, Lena, Uschi, Delia, Chantal, Susi, Marianne, Stephanie und ich. Ein leiser Vortrag oder ein unterhaltsames Lied. Eine jede von uns so wie es heute geht und passt. Genau so wie es uns Astrid, die früher zurückreisen musste, gestern gezeigt hat - sie hat sich einen Wunsch erfüllt und eine Arie gesungen. Ganz bei sich. Donizetti. Chapeau. 

 

Tragikomödiantin

 

Ich? Mache die gesamte Klaviatur der Gefühle durch. Von Dur nach Moll. Meine "Ballade von der Fischersfrau", die Wartende, in fünf Strophen von Tucholsky, läuft sehr gut. Was zum einen daran liegt, dass ich mit Tillmann, dem ZHdK Dozenten und Schauspieler, den Text besprochen. Zum anderen liegt es an Kilian am Klavier, der die Strophen in unterschiedlicher Weisen spielt, so dass ich singend ein wenig Theater spielen kann ... spielen darf. Es macht unglaublich viel Spass, die 10 Jahre lang vergeblich wartende Schiffersfrau zu besingen - bzw. zu sein. Schiff ahoi. Vor allem als ich merke, dass das Publikum schon nach der ersten Strophe mitgeht. Marianne lächelt mich offen und freudig an. Irgendwann singe ich mich so in den Rausch, dass ich nur noch vage Sarah rechts vor mir im Publikum wahrnehme, wie sie staunt und johlt. Ich meine sogar weiter hinten im Saal Tillmann ungläubig lächeln zu sehen, während ich zum Schluss-Satz ansetze und sämtliche Energie in die Pointe lege. Erst nach Ende der Show merke ich, dass meine Beine zittern. Und wie.

 

Wenig später die Ensemble-Musik von Brahms mit Delia in glockenhellem Sopran, mit der wunderbaren 'La Chantal' im Mezzo-Sopran. Und mit mir. Meine Hoffnung ist, unauffällig zu bleiben und das schön-traurige Lied "Ich hab die Nacht geträumet" und die reinen Stimmen von Delia und Chantal nicht zu verhunzen. Ich stehe nah beim Klavier und bei Charlotte, die mir bei der Alt-Stimme hilft. 

 

Und dann kommt irgendwann Edith Piaf. Und ich. Und ich vergeige sie. Mon Dieu! Ich bin zu hoch, dann verwirre ich mich. Komme raus. Neustart. Und gleiches Spiel. Vor lauter Schreck verlässt mich dann auch noch der Text. Kopf blockiert. Sarah eilt zu Hilfe und fordert mich auf, die Schuhe auszuziehen. Auch Delia - glaub ich - hilft. Sarah wiegt mich in der Hüfte. Gleiches Schauspiel wie schon am Sonntagabend, um die Stimme frei zu kriegen. Wenn ich im Moment nicht unter Schockstarre stehen würde, wäre es grandios komisch. Tragikomisch. Ich trage mein schönes, dunkelblaues Kleid im vierziger Jahre Stil. Roten Lippenstift, roten Nagellack. Die Pumps stehen jetzt neben mir auf der Bühne ... falscher Film … meine Edith ... falscher Film … mein Lied ... ich hatte es doch in der Kapelle geübt, mit Blick auf den kleinen Altar mit dem Kreuz ... mon Dieu, mon Dieu, laissez-la moi, cette chanson! 

 

Morgen - morgen wird es wieder gehen, und ich werde ihm treu bleiben, dem Chanson. Ich weiss es.

 

Arielle

 

Und dann ist da noch der Song von Arielle, von der Inszenierung her zweifelsohne der Höhepunkt der Vorstellung. So nähere ich mich nach der kurzen Pause dem Bühnensaal. Vorne auf der Couch sitzt ein Wesen in türkisblauem Kleide und mit rotem, kleopatramässigem Kopfschmuck.

 

Die Beine sind aneinandergeschmiegt, von Türkis umschlungen und enden in zwei blauen, flossenartigen Abfallsäcken. Andächtige Stille herrscht, die nur von einem verhaltenen Lacher unterbrochen wird, weil sich hinter Arielles von blauen, meerartigen Gummimatten eingehüllter Couch etwas auffallend bewegt ... die Meerjungfrau scheint nicht allein bei ihrem traurigen Lied, das sie mit ihrem hellen Sopran wunderschön singt. Zwischen den Gesangspassagen wird klar, dass das Wesen hinter Arielle (ihre Schwester) Charlotte ist, die ihr den Text souffliert.

 

Erst nach der Aufführung wird sich herausstellen, dass das rote Haargewand der Arielle dem Hörsinn nicht förderlich war - hat doch das Publikum den soufflierten Text besser verstanden als die einsame Meerjungfrau mit dem roten Schal auf dem Kopf! Allerdings hat Meerjungfrau Susi so oder so den Vogel abgeschossen! Das Publikum tobt. Standing Ovations!

 

Inszenierung

 

Charlotte moderiert. Charlotte begleitet am Klavier. Sie singt im Chor und leitet den Chor. Charlotte souffliert und singt mit, wo Hilfe nötig ist. Sie weint gerührt berührt vom Gesang ihrer Schülerinnen - von denen fünf in ihrem Zeller Chortheater singen. Sie lebt "das" hier - sie ist Schauspielerin, Musikerin, Regisseurin, Chorleiterin. Sie komponiert Theatermusik, gibt Lieder- und Chansonabende, macht Theater- und Musikprojekte. Sie ist Menschenfreundin. Eine grosse Seele, ich weiss es. Und viel mehr spüre ich es in all den Tagen. 

 

Und es setzt sich in ihrer Familie fort - in Martin, unserem klugen Feldenkraislehrer. In Kilian, der komponiert und in Noten denkt, zwischendurch mit seiner Freundin Lisa an ihrer Masterarbeit arbeitet oder mit ihr singt. In Sarah, deren Leben aus Theater und Musik zu bestehen scheint, und aus ihrem Kinderchor. Wenn sie von ihm erzählt oder Fotos zeigt,  strahlen die Augen noch mehr. Und nächstes Wochenende wird ihre Theater-Musik-Hochzeit stattfinden, so dass Maria-Donatas Scheune wackeln wird und Susis Zelte abheben!

 

Wie sehr geniessen wir Workshop-Teilnehmer es, an dieser Lebensfreude ein wenig teilhaben zu dürfen. In diesen besonderen Tagen hoch oben über Rapallo im Kreise von Charlotte, ihrer Familie, den Dozierenden und Freunden. In Gianlucas Casa del Pellegrino, das er beim Vatikan gepachtet  hat. Ein Sehnsuchtsort.

 

Chor

 

Für Kilian: Signore delle cime. La Villanella.Vieni sulla barchetta. Öger.

 

Für Charlotte: Es sass ein schneeweiss Vögelein. Schlafe, Liebchen, gute Nacht. 

 

Für Sarah: Sinner you know. Lady Madonna.

 

... ba ba ba ... baba bababa ... ba ba ba ba, ba ba ba ba ba ba ... und als Zugabe für Sarah:

 

Mehr als die Schönheit selbst,

bezaubert die liebliche Stimme;

jene zieret den Leib;

sie ist der Seele Gewalt.

 

... bali bene bella bimba ... bella bimba ... bali ben!

    

Auf Wiedersehen!

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Kommentare: 1
  • #1

    Steffi (Donnerstag, 24 August 2017 22:21)

    Du verzeihst mir sicherlich, wenn ich bekenne : Die Katze im Präsentkörbchen ist mir das liebste Bild ; -)
    Danke für die schönen Bilder und Küsschen! Steffi